Juttas Briefe

Briefroman von Georg Rethwilm

112 S.   ISBN 978-3-920591-05-6

€ 7,- 

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Das Mädchen aus Ostberlin, einst von Udo Lindenberg besungen, meldet sich zu Wort - in den von Georg Rethwilm herausgegebenen Briefen, geschrieben von Jutta, Studentin an der Humboldt-Universität (Deutsche Demokratische Republik).

Der Empfänger von Juttas Briefen ist C., ein »Wessie«. Beide haben sich während eines Sommerurlaubs an der bulgarischen Schwarzmeerküste kennengelernt. Was danach geschah, beschreibt Jutta chronologisch, wenn auch keineswegs regelmäßig und vollständig.

In Juttas Briefen, manchmal politisch belastend, zuweilen erotisch belästigend, erfahren wir, was der realsozialistische Alltag der 80er Jahre hergab: Lust und Frust, Frohsinn und Schwachsinn...
 

 

 

 

Leseprobe:
 

Varna, den 12.8.

Hallo meine liebe Schmetterlingsmaus, lieber C.!

Jetzt seid Ihr schon fünf Tage wieder zu Hause. Ich habe mittlerweile im Grand Hotel Drujba in Varna Quartier bezogen. Hier habe ich mich mit meinem Stiefvater getroffen, der direkt aus Frankfurt am Main hierher gekommen ist. Zusammen mit Heike, die inzwischen aber wieder zurück nach Berlin fliegen mußte, haben wir drei Tage lang allerhand Blödsinn gemacht, rumgealbert, aber auch schon viel von der Stadt gesehen, die schließlich die drittgrößte Bulgariens ist und eine phantastische Kulisse bietet mit ihren hoch hinausragenden Sandsteinfelsen und den terrassenförmig ansteigenden Weinbergen. Aber man kennt es ja, im Sommer dreht sich auch hier halt alles um den Tourismus. Dem kann man kaum entfliehen.

Ich verspüre das eigenartige Bedürfnis, Dir einen Brief zu schreiben. Warum eigentlich? Weißt Du, daß ich Dich eigentlich sehr, sehr gern wiedersehen möchte? Lach nicht! Später, nicht im Moment. Jetzt sehe ich einfach zum Weglaufen aus in meiner Jagduniform - dafür aber mit einem unheimlich warmen und lieben Gefühl im Herzen, wenn ich an Dich denke (übrigens Du als orthographisch gefestigter Mensch siehst mir hoffentlich meine Rechtschreib- und Grammatikfehler nach; ich bin im Urlaub)...
 
 

Berlin, den 21.1.

Hallo Liebling!

Endlich finde ich einige Minuten freie Zeit, Dir ganz herzlich für Deine Karte aus Prag zu danken und Dir schnell ein paar Zeilen zu schreiben... Deine Karte aus Prag war süß. Nur mußte ich meine geistige Flexibilität aufs äußerste anspannen, um Deinen "Kurztripp" zu erkennen. Mit Heike hatte ich viel Spaß beim Entziffern dieses Begriffs. Wir haben unserer Phantasie freien Lauf gelassen: Kurbetrieb, Kurztrimm, Kurztrieb - kurzum wir haben etliche Bedeutungen herausgelesen und uns dann aber wohl doch für die einzig wahre (richtige) entschieden. Ich wußte ja schließlich, was Du mir mitteilen wolltest.

Aber Liebling, wie war denn der Ausflug in das schöne alte Prag? Hat es Euch gefallen? Oder habt Ihr Euch vor lauter Kälte gar nicht herausgewagt, seid Ihr etwa nur von einer Kneipe zur anderen gezogen, und das schon am hellichten Tage? Wahrscheinlich wieder schwarz getauscht und dann bei schwarzem Bier die Puppen tanzen lassen, man kennt es ja! Nein, ich hoffe, Ihr hattet auf jeden Fall erlebnisreiche Tage. Es gibt ja wirklich dort viel zu sehen. Ich selbst war schon dreimal dort und würde sofort wieder hinfahren, vielleicht klappt es noch in diesem Jahr, im Frühjahr ist es dort am schönsten ("Prager Frühling").

Gestern abend waren wir (Heike und ich) für zwei Stunden in unserer Stamm-Disko ("Jucca"). Dein Parfüm riecht wahnsinnig geil. Ich glaube, es war ein schwerwiegender Fehler, es anläßlich dieses Besuches dort benutzt zu haben. Nachdem ich zweimal dafür ein dickes Kompliment bekam und die Männer mir gleich einen erzählen wollten, schnappte mich Heike, und wir sind gegangen. Ich habe nun entschieden, es nur noch zu Hause anzuwenden. Denn entweder komme ich bei anderen auch ohne diesen frischen, wirklich anregend-aufregenden Duft an, oder... Das Parfüm gehört uns. Ich freue mich immer wieder darauf, wenn ich es benutzen kann. Es törnt mich regelrecht an. Ich danke Dir noch einmal herzlich dafür. Du hast einen tollen Geschmack, ich kann ihn vollends teilen. Er versetzt mich gleich in... Du fehlst mir ganz schön, aber so bleibst Du mir wenigstens duftmäßig ganz nah erhalten. Riecht das Briefpapier noch? Ich habe gerade etwas nachgelegt!

 

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