Zauber des Verschwiegenen

Roman von Christiane Blasius
368 S.  ISBN 978-3-920591-52-0

€ 11,- 

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Die Journalistin Angelika Weißkopf stößt auf den Namen Mike McGillian, einen ehemaligen Musiker. Aber niemand weiß, wo er verblieben ist; Freunde, Kollegen, Verwandte hüllen sich in ein geheimnisvolles Schweigen. Angelika beginnt zu recherchieren, folgt Spuren durch halb Europa. Eine unerklärliche Faszination geht von der gesuchten Person aus...

»Zauber des Verschwiegenen« ist ein feiner, einfühlsam geschriebener Roman der Autorin Christiane Blasius, vielen bekannt durch ihre phantastische Erzählung »Gesetzt den Fall es gäbe dich« (1991). Die schöne Sprache und die treffenden Detailbeobachtungen werden den Leser sogar verleiten, Szenen und Beschreibungen zu genießen, die er sonst vielleicht still überliest.
 
 

 

 

Leseprobe 1:

Brissant hatte sich verändert, seit es den Kanaltunnel gab. Das war die erste Erkenntnis, zu der Angelika gelangte, als sie das neue Ortsschild passierte, und die letzte, welche sie mitnahm, als sie unverrichteter Dinge wieder auf die Landstraße fuhr. Noch bevor sie darüber nachdenken konnte, ob sie dies bedauern oder angesichts der Veränderung froh sein sollte, hatte sie beinahe vergessen, warum sie noch einmal in diesen kleinen Ort gekommen war. Daß die Geschichte, die sie erzählen wollte, diesmal die Wahrheit gewesen wäre, konnte Angelika im nachhinein selbst kaum glauben, doch sie hatte die junge Frau mit der verblüffenden Namensgleichheit ohnehin nicht angetroffen. Angelique lebte seit einigen Monaten in Paris. Die kleine Patisserie war geschlossen gewesen. Das Meer hatte unter einer dichten Nebeldecke gelegen, und daß man vom Strand aus an klaren Tagen die nahe Küste von England sehen konnte, hatte in diesen unangenehm kühlen Stunden allenfalls die Qualität eines freundlichen Traumes gehabt. Der Nebel war wie ein greifbarer Fingerzeig gewesen. Angelika würde die Geschichte endgültig ruhen lassen, sie hatte ein Versprechen gegeben, und obwohl die Umstände nicht sehr verpflichtend gewesen waren, stand ihre Zusage fest wie die Steilküste zu beiden Seiten des Kanals.
 

Leseprobe 2:

Mit einem heftigen Mausklicken kehrte Angelika in das Ausgangsmenü zurück und legte die Füße so schwungvoll auf den Schreibtisch, daß die Rückenlehne des Stuhles federte. Dieser Bruch in der ansonsten glatten, gleichmäßigen Kette von Erfolgsmeldungen gefiel ihr. Hier konnte genau das Thema liegen, über das nicht gerne gesprochen wurde. Die Qualität ihrer Interviews hing wesentlich von den Fragen ab, unbequeme waren die effektivsten. Ein schneller Weg des Kennenlernens besteht oft darin, sein Gegenüber in Verlegenheit zu bringen, auf eine Weise, die nicht stumm macht, sondern Redeprozesse in Gang setzt, ehe die Denkkontrolle etwas dagegen unternehmen kann. Angelika suchte nach der Fernbedienung, fand sie unter einem Poster, drehte sich herum und startete den CD-Player erneut.

Sie konzentrierte ihre ganze Aufmerksamkeit noch einmal auf die Fotos. Es irritierte sie, daß ihr der Austausch einer Person so gänzlich entgangen war, der Umstand kam fast einer Beleidigung gleich. Mehrere direkte Vergleiche entlasteten sie. Die beiden Männer sahen sich fast zum Verwechseln ähnlich. Nur wer Unterschiede suchte, würde sie schließlich finden. Die Illusion des Doubles war perfekt gelungen und machte den Hauptdarsteller mit spielerischer Leichtigkeit überflüssig. Beide Männer hatten braune, krause Haare, die ihnen bis über die Schultern fielen, ihre Wangenknochen waren tief angesetzt, und die lange seitliche Gesichtslinie verlief ohne deutliche Brüche bis in ihre Kinnspitze, wo sie beide das gleiche Grübchen hatten. Nur ihre Augen unterschieden sich, die von Mike McGillian waren grünlich und leicht angeschrägt, sein Nachfolger Pete Whiteley besaß braune, geradlinige Augen.
 

Leseprobe 3:

Mrs. McGillian wischte ihre Hände an der Kittelschürze ab. Ihre Körperhaltung war eine Einladung. Sie trat zur Seite, breitete die Arme aus und deutete dann mit der flachen Hand in den Flur.

»Sie können gerne drinnen auf meinen Mann warten, es dauert sicher noch eine Weile, bis er kommt, und der Wind pfeift recht kalt heute. Mit Wärme ist dieses Fleckchen Erde wahrlich nicht gesegnet.«

Angelika putzte sich gründlich die Schuhe ab. Gastfreundschaft hatte sie in einem Pfarrhaushalt erwartet, die spontane Sympathie, welche sofort zwischen den beiden Frauen aufkam und eine angenehme Spannung erzeugte, war eine Überraschung. Mrs. McGillian machte nicht den Eindruck eines Menschen, der seine Freundlichkeit stöhnend aus einem Sinnspruchkalender abschreibt. Angelika mußte sich von der Vorstellung einer verkniffenen, bibelschwingenden Landpfarrfrau mit Knotenfrisur trennen. Sie verlor damit zwar eine hilfreiche Angriffsfläche, gleichzeitig verbesserten sich aber die Chancen für ein offenes Gespräch. Zunächst tauschten sie die üblichen Höflichkeiten aus. Angelika bedauerte, bei der Hausarbeit gestört zu haben und wunderte sich, daß am Sonntag in einem Pfarrhaus Staub gewischt wurde. Mrs. McGillian lachte.

»Es gibt so viel zu tun, ein vollkommener Zeitplan, wie man ihn braucht, um in sieben Tagen die Welt zu erschaffen, gelingt mir nicht immer. Der Herr wird nachsichtig sein, denke ich, er hat schließlich auch den Staub erschaffen.« Sie beteuerte, daß es keine Umstände machte, Tee zu kochen und fuhr fort: »Ist es ein spezielles religiöses Problem, oder kann ich Ihnen auch weiterhelfen?«
 

Die Autorin über ihr Buch:

'Musik als Kunstform fasziniert mich einfach. Und auch das Leben von Musikern übte auf mich schon immer eine große Faszination aus. Also beschloß ich, mich näher mit der Szene zu beschäftigen... Die Handlung der Geschichte entspringt meiner Phantasie.'
 

Blasius: Gestern war kein Tag                       Blasius: Die Putzfrau und der Kommissar

 

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