Babette Havers
Ferner fremder Ton
Lyrik und Kurzprosa
ISBN 978-3-920591-96-4, 96 Seiten, € 10,-
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neues-literaturkontor@t-online.de
Nach ihrem Gedichtband
„Wie es ist“ legt Babette Havers eine Sammlung von Lyrik und kurzen
Prosastücken vor. Insbesondere in den Gedichten spürt der Leser auch hier die
Auseinandersetzung der Autorin und Sprechwissenschaftlerin mit dem geschriebenen
und dem gesprochenen Wort.
Dort / wo die Welt /
sich wirbelnd / in Geschichten / sucht, / Wortfasern lose wehen ...
...dort kommt es zu
zwischenmenschlichen, teils im inneren Dialog beschriebenen Begegnungen, denen
zumeist ein Zweifel innewohnt. Worte und Vorstellungen können
aufeinanderstoßen, so daß das Gesagte oftmals wie ein „ferner fremder Ton“
klingt – eine Formulierung aus dem Gedicht „Gespräch mit einer Versunkenen“.
Babette Havers
variiert Themen, die Prozesse der vorsichtigen Annäherung, der Suche nach
Vereinbarkeiten und oft überraschende Lösungen zum Inhalt haben - gerahmt von
den kraftvollen Bildern des Künstlers Wolfgang Mössing.
Leseproben:
Wenn ein Bleistift ungespitzt
zu ihr kam
beidseitig das Holz
schamvoll an beiden Enden
minenlos
sich entblößte
als Bleistift
nur erkennbar, an dem
schwarzen Punkt
in der Mitte des Holzes
dann hatte sie
lange
kein Erbarmen.
Unbrauchbar, dem sofortigem
Zugriff
entzogen
verharrte der verpuppte Stift
in Gläsern, Laden,
störte immerzu,
da er sich anbot,
ohne gleich brauchbar zu
sein.
Eines Tages entjungferte sie
all diese Stifte
ohne Ansehen ihrer
Besonderheit, ihrer Aufschrift.
Dabei lernte sie:
Unangespitztes will gehalten
sein
mit beiden Fingern
geführt
braucht einen sicheren Dreh
dann
schreibt es sich
dankbar
offenbart die Kraft,
die in der Mitte ruht.
*
Die
Mission des Hufschmieds (Auszug)
...
Während er so versuchte, seinen Ärger nicht zu groß werden zu lassen, denn
Ärger machte nur noch heißer und damit anfälliger, fiel sein Blick auf eine
ungewöhnliche Gestalt. Ganz wider Willen blieb sein Blick haften. Es war zu
außergewöhnlich, was er dort sah. Selbst ihm, dem geübten Bahnhofsnutzer, war
so ein Mann noch nicht begegnet. Vielleicht war er aber auch nur durch die
Hitze bedingt etwas langsam, jedenfalls konnte er den Blick nicht abwenden,
bevor der Hüne von einem Menschen ihn entdeckte und ihm lange und interessiert
ins Gesicht sah. Das hätte ihn warnen sollen. Kein Blickkontakt! Aber er wähnte
sich in Sicherheit, da der Mann gerade voll beschäftigt zu sein schien und
etwas weiter entfernt von ihm stand. Ein älteres Ehepaar wurde von ihm über die
Fahrplanänderung aufgeklärt. Sie schienen Niederländer zu sein, das konnte er
hören. Der ältere Herr sagte mehrmals so etwas wie „Ja, ja verstan“, was den
besagten Riesen nicht davon abzuhalten schien, nochmals zu erläutern, wie sie
nun zu fahren hätten. Georg Halbach zählte mit. Fünf Mal erklärte er die
Verbindungen. Und dies in einer Lautstärke, daß jedermann gut mithören konnte.
Aber das war es nicht allein, was
ihn nahezu zwang, immer wieder hinzusehen. Ihn fesselte das Aussehen. Da war
einmal die Größe in Verbindung mit seiner Statur. Ein Riese eben. Nun trug
dieser wuchtige Mensch zudem einen Zylinder und einen wallenden, ausgebeulten
aber mit Sicherheit ehemals exklusiven und teuren Anzug. Oder wie sollte man
dazu sagen? Hose mit Umhangkombination? Zudem prangte an seiner rechten Hand
ein Ring, unübersehbar ein Siegelring. Das Ganze wurde durch einen ebenso
unförmigen Rucksack abgerundet, in dem sich schwere Gegenstände zu befinden
schienen, denn sie zogen das stoffähnliche Gewebe streng nach unten. Als dem
Ehepaar die Flucht in abgelegene Gleisbereiche gelungen war, schleuderte der
Mann den Rucksack vernehmlich von seiner Schulter, so daß die offenbar
metallischen Gegenstände darin hart aufeinander klirrten, und er rupfte eine
Literflasche Wein heraus, aus der er einen tiefen Schluck nahm und, ja, in die
Richtung sah, wo eben dieser Mann gestanden hatte, der warme braune Augen und
so ein offenes Gesicht hatte. Bei dem zweiten Augenkontakt, den er irgendwie
nicht hatte vermeiden können - sein Blick war wie angesogen von der Gestalt -
wußte er, daß dies nicht folgenlos bleiben würde.
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